Titel-Reiseberichte

Des Kaisers Dampfer in

Deutsch-Ostafrika

Ein Reisebericht

2010 hatte ich die Gelegenheit mit meinem Sohn Constantin (14) Tansania (das ehemalige Deutsch Ostafrika zu bereisen). Ein fest ins Auge gefasste Ziel war dabei der Tanganjikasee und hier insbesondere die MV Liemba. Das 1913 unter dem Namen „Graf Götzen“ gebaute Schiff blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Diese Geschichte war der Grund für uns das Abenteuer zu wagen und der Liemba einen Besuch abzustatten. 

1912 erhielt die Mayerwerft in Papenburg, heute bekannt für Ihre Kreuzfahrtschiffe, den Auftrag ein Dampfschiff zum Einsatz auf dem Tanganjikasee zu bauen. Der 700 km Lange See bildete seinerzeit die Westgrenze der Kolonie Deutsch Ostafrika und war Verkehrsmäßig weitgehend unerschlossen.

Da der Tanganjikasee nicht über Flüsse erreicht werden kann, stellten sich für die Planer der Graf Götzen einige Probleme. Das 67 Meter lange und 800 to schwere Schiff musste vor Ort auf dem See gebaut werden. Da dies, aufgrund der fehlenden Infrastruktur, nicht möglich war beschloss man den Dampfer in Papenburg vor zu montieren und einen Probelauf durchzuführen. Nach der Abnahme durch das Reichskolonialministerium wurde das Schiff wieder Zerlegt, alle Nietverbindungen waren bei der Erstmontage durch Schrauben ersetz worden. In 5000 Kisten verpackt und auf einem Postdampfer der Deutschen Ostafrikalinie wurde das neue Schiff nach Daressalam gebracht. Hier wurden die Kisten über die noch nicht gänzlich fertiggestellte Mittellandbahn über Dodoma und Tabora Richtung Kigoma versendet. Das letzte Stück wurden die Kisten auf dem Kopf hunderter Träger an den See gebracht. Mit nur drei Mitarbeitern der Mayerwerft begannen hier die Arbeiten das Schiff wieder zu montieren. Zunächst musste eine provisorische Werft errichtet werden, anschließend wurde mit den Montagearbeiten begonnen. Mit 270 einheimischen Hilfskräften gelang den drei Papenburgen das technisch und logistisch fast unmögliche. Am 5. Februar 1915 konnte die Graf Götzen vom Stapel laufen und Ihre erste Probefahrt absolvieren. Nur um gleich wieder außer Dienst gestellt zu werden und der Deutschen Schutztruppe in Kigoma überstellt zu werden. Der inzwischen ausgebrochene I.Weltkrieg  hatte auch diesen entlegenen Winkel der Erde erreicht. Am 9.Juni 1915 wurde die Graf Götzen mit Geschützen des inzwischen kampfunfähigen kleinen Kreuzers SMS Königsberg, armiert. Aus heutiger Sicht scheint es unglaublich dass das tonnenschwere 10,5 cm Geschütz der im sumpfigen Rufijidelta gesunkenen Königsberg mit primitivsten Mitteln geborgen werden konnte und über 2000 km an den Tankaniskasse gebracht werden konnte. Mit einer weiteren 8,8cm Schnellfeuerkanone und zwei kleinen 3,7cm Geschützen ausgerüstet wurde die Graf Götzen nun als Hilfskreuzer SMS Graf Götzen in Dienst gestellt. Bis Mai 1916 beherrschte die Graf Götzen als weitaus größtes Schiff den See und ermöglichte wichtige Truppen und Materialtransporte. Im Mai wurden die Geschütze der Graf Götzen wieder demontiert, da sie gegen die herandrängenden Engländer und Belgier an anderer Stelle dringender benötigt wurden. Um Spione zu täuschen, wurden Geschützattrappen montiert. Als am 26.Juli 1916 Kigoma endgültig geräumt werden musste, wurden die drei Papenburger beauftragt das Schiff mit Fett zu konservieren und im trüben Seebereichs eines Bachzulaufes zu versenken. Man beabsichtigte nach Beendigung des Krieges das Schiff wieder zu heben und instand zu setzen. Durch Verrat wurde die Versenkungsstelle jedoch bekannt und noch im Jahr 1916 hoben die in Kigoma einmarschierte Belgier den Dampfer und vertäuten ihn am Pier in Kigoma. Aufgrund der gründlichen Arbeit der papenburger Arbeiter hatte das Schiff kaum Schaden genommen und wurde wieder in Dienst gestellt. 1920 sank die Liemba während eines Sturms zum zweiten mal. Diesmal dauere es 5 Jahre bis die Britten das Schiff hoben, instandsetzten und am 16.Mai 1927 als MV Liemba wieder in Dienst stellten. Das Schiff brachte nun wichtige Waren von und nach Kigoma um diese über die alte deutsche Mittellandbahn an die Küste zu bringen. 1961 wurde das Tangarnikaterritorium (ehemals Deutsch Ostafrika) unabhängig und die Beflaggung an der Liemba wechselte erneut. Die MV Liemba war nun das Flagschiff der Tansanischen Binnenflotte. 1970 war der Zustand des Schiffes so schlecht, dass die Verschrottung beschlossen wurde. Das Schiff wurde ausgeschlachtet und Rottete in Kigoma vor sich hin. Doch das war noch nicht das Ende. Mit Hilfe von Entwicklungshilfegeldern und dem Einsatz eines Irischen Schiffbauingenieurs beschloss die tansanische Regierung das Schiff wieder flott zu machen. Nach umfangreichen Baumaßnahmen lief das Schiff im November 1976 zum vierten mal, nun in Ihrer heutigen Form, aus der Werft. 1990 erfolgte nochmals eine Überholung und ein Austausch der Maschine durch eine dänische Werft. In dieser Form verkehrt das Schiff noch heute zwischen Mpulungu (Sambia) und Kigoma als wichtigstes Verkehrsmittel. Wie wichtig, davon konnten wir uns persönlich überzeugen.

Am 18.10.2010 erreichte unsere kleine aus 6 Personen bestehende Gruppe mit einer lokalen Propellermaschine Kigoma. Ziel war die Reise auf der Liemba zum Mahale Nationapark 200km Südlich von Kigoma.

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Flughafen Kigoma am Tanganikasee

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Abfertigungshalle mit Gepäckausgabe

Auf der Fahrt vom Flugfeld zu unsere Unterkunft wurden wir in Kigoma vom maßlos überdimensionierten deutschen Bahnhof empfangen. Auf dem Weg zu unsere etwas außerhalb von Kigoma gelegenen Unterkunft konnte wir noch einige Zeugnisse deutscher Kolonialarchitektur entdecken, so kamen wir zum Beispiel am Kaiserhaus (sollte dem Kaiser bei seinem geplanten aber durch den Weltkrieg verhinderten Besuch als Unterkunft dienen) sowie dem immer noch als solchem genutzten ehemaligen deutschen Gefängnis vorbei. Das letzte Stück führte durch ein aus Lehmziegeln erbautes Dorf an das Ufer des Tanganjikasees. Hier bezogen wir auf der Privatlodge eines in Mombasa ansässigen Landmaschinenhändlers Quartier. Ein einsamer nur von Affen bevölkerter Strand wie aus dem Bilderbuch und ein unvergleichbarer Blick über den See waren die Belohnung für die bisher erbrachten Anstrengungen.

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Kaiserbahnhof in Kigoma, gleichzeitig Endpunkt der alten Mittellandbahn

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Fahrt zur Unterkunft

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Unterkunft zwar ohne Strom aber doch recht angenehm

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Der dazu gehörige Privatstrand am Tanganikasee

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neben uns die einzigen Gäste

Am Folgetag gingen wir zu Fuß nach Kigoma um uns um die Weiterreise zu kümmern.  Auf dem Weg durch das Dorf waren wir sofort von Dutzenden Kinder umringt die uns noch eine ganze Weile folgten. Als einzige Weiße im weiten Umkreis waren wir offensichtlich ein Attraktion. Auf unserm Weg in den Hafen Kigoma kamen wir wieder an Gebäuden der Deutschen Kolonialzeit vorbei. Im Hafenbereich kreuzen wir die Gleisanlagen der alten Mittellandbahn. Schließlich erreichten wir den Pier der Liemba. Der unmittelbare Bereich um das Schiff ist mit einem Zaun aus alten deutschen Stahlschwellen eingegrenzt. Noch heute sind die Namen der Hersteller auf den Schwellen zu lesen: Krupp 1912, Hoesch 1909, Henschel 1910. Links neben dem Pier liegt die Werftanlage die noch an der selben Stelle ist wie zur deutschen Zeit. Mein Versuch den Geburtsort der Liemba zu fotografieren wurde durch einen aufgeregten Wachposten mit dem Hinweis „no Photo, no Photo“ vereitelt. Meine bitte um eine Erlaubnis wurde abgelehnt und ich an den “Chief of the Harbor“ verwiesen. Also meldete ich mich in einer Baracke eben bei jenem Chief an. Ein Wachposten ließ mich ein paar Minuten warten, schließlich wurde ich vorgelassen. Das kleine Büro war auf gefühlte 15-16 Grad runter gekühlt, draußen waren es 32 Grad! Ich erklärte dem Chief das ich extra aus Deutschland gekommen war um das Schiff und „seine“ Werftanlage zu besichtigen. Er hatte dann auch nichts mehr gegen ein paar Fotos. Ich verabschiedete mich, nicht ohne ein Lob für seinen sauberen Hafen auszusprechen. Draußen machte ich dann unter den Augen des Wachpersonals ein paar Bilder der Anlage.

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Fußweg nach Kigoma

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Alte deutsche Bahnschwellen der Mittellandbahn. Beschriftet mit deutschen Herstellernamen, Datiert zwischen 1909 und 1914

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Werftanlage der Liemba vormals Graf Götzen

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Der Ticketschalter, wir wählten I.Klasse

Der Ticketverkauf für unsere Liembafahrt gestaltete sich schwieriger. Obwohl wir die einzigen Fahrgäste waren dauerte die Aktion sicherlich eine Stunde. Da der ausgehängte Fahrplan nur eine Empfehlung ist und meist nicht den realen Zeiten entspricht traten für uns auch schon die ersten Probleme auf. Eine von uns geplante Rückfahrt mit der Liemba war nicht möglich, da dass Schiff unnplanmäßig einen Zwischenstop im Kongo einlegte. Hier mussten wir also eine andere Rückreisegelegenheit finden. Letztlich haben wir dann Karten 1ster Klasse gebucht. Abfahrt Mittwoch 16:00 Uhr. Nachdem der hoheitliche Akt des Ticketkaufs nach Vorlage unserer Pässe sowie zahlreichen Stempeln erledigt war, suchten wir uns eine Gelegenheit etwas zu Essen. Da Kigoma in keiner weise auf Tourismus eingerichtet ist gestaltete sich diese Unterfangen schwierig, letztlich konnten wir in der Nähe des Bahnhofs etwas finden.  Nun galt es noch unsere Rückfahrt zu organisieren. Man hatte uns gesagt die Parkverwaltung hatte ein Speedboot welches man mieten könnte. Problem war das wir auch nach mehrmaligem Nachfragen keine klare Auskunft bekommen konnte wo diese Parkverwaltung ansässig war. Nachdem wir mehrfach in verschieden Richtungen geschickt wurden, fanden wir Die Verwaltung am Hang hoch oben über Kigoma. Nach langen Verhandlungen wurde uns mitgeteilt das wir ein Boot haben könnten, dieses aber 2000 US$ kosten würde, die Fahrzeit sollte 5-6 Stunden dauern! Das war ein Schock und in der Reisekassen so nicht vorgesehen. Das hieß nun wir mussten nach anderen Möglichkeiten suchen. Wir verabschiedeten uns und traten den Rückweg an. Um den doch recht weiten Weg zurück etwas abzukürzen nahmen wir ein Dalladalla . Es handelt sich dabei um lokale Kleinbusse die den Verkehr in die umliegenden Ortschaften bereitstellen. Am Bahnhof finden sich immer solche auf Fahrgäste wartenden Dalladallas. Die Besatzung besteht üblicherweise aus drei Personen, einem Fahrer, eine Beifahrer (die Funktion des Beifahrers konnte ich nicht ergründen) und einem Schaffner. Hat man das Dalladalla mit seinem Fahrziel gefunden setzt man sich rein und wartet. Abfahrt ist üblicherweise wenn der Bus voll ist und das ist wörtlich zu nehmen. Unter 18 bis 20 Personen in einem bei uns für 9 Personen zugelassen Fahrzeug findet keine Fahrt statt. Unterwegs gilt die Devise „weise nie einen Fahrgast ab, einer geht noch rein“ Bei Fahrten mit dem Dalladalla darf man weder Angst vor Körperkontakt noch Platzangst haben. Möchte man aussteigen, gibt man dem in der geöffneten Tür stehenden Schaffner ein Zeichen, dieser klopft auf das Dach und der Fahrer hält an. Mann entrichtet seinen Fahrpreis, in unserem Fall etwa 15 Cent/ Person und kann aussteigen. In unsere Unterkunft angekommen, fragten wir den farbigen Verwalter ob er eine Lösung für unser Transportproblem wüsste, er versprach sich darum zu kümmern und uns Bescheid zu geben. Schließlich kam er auch und teilte uns mit, dass am Abend jemand vorbeikommen würde der ein geeigneten Boot hätte. Bei einer Flasche warmem Bier fanden dann die Verhandlungen statt. Letztlich einigte man sich auf 700 US$. Zwar immer noch ein fürstlicher Lohn für dortige Verhältnisse aber in unserer Lage vertretbar. Wir zahlten 200 US$ an und hofften das Boot am Samstag samt Führer am vereinbarten Treffpunkt zu finden. Nun galt es sich auf die Reise mit der Liemba vorzubereiten. Am Abreisetag ließen wir uns von zwei Fahrern samt Gepäck zum Hafen bringen. Vor dem Tor warteten schon jede Menge Fahrgäste. Als Passagiere der ersten Klasse durften wir das Schiff schon vorab betreten. Alle weiteren Passagiere hatten noch keinen Zutritt. Ich nutzte die Gelegenheit das noch leere Schiff von oben bis unten und von Innen und Außen zu besichtigen. Der erste äußere Eindruck über den „gebrauchten“ Zustand des Schiffes setzte sich im innern fort. Von der fehlenden Feuerlöschanlage bis zu Fußballgroßen Löchern in der Decksbeplankung waren alle Art von Mängeln zu finden. Gegen 15:00 Uhr wurde das Gate geöffnet und die Passagiere strömten auf das Schiff. In Anbetracht der Menschenmengen die auf Zugang zum Schiff warteten, betrachteten wir den geplanten Abfahrtstermin von 16:00 Uhr als nicht haltbar. Und in der Tat wurden Unmengen Ananas, Matratzen, Kleidung, Hühner, Möbel, Zement und alle Art von Waren über eine angelegte Planke eingeladen. Interessanterweise wurde alles auf Deck verstaut, der Laderaum blieb leer. Wir suchten inzwischen unser Kabine auf. Wir hatten mit Glück die Kabine Nummer 1 in Fahrtrichtung die linke vordere Eckkabine erwischt. Diese Kabine gehört noch zum Originalaufbau der Graf Götzen, die Inneneinrichtung wurde natürlich inzwischen erneuert. Die winzige Kabine zeichnete sich unter anderem durch ein Waschbecken mit fließend Wasser aus und das ist wörtlich zu nehmen, der Wasserhahn ließ sich nicht abstellen, so dass man ständig einen gewissen Harndrang verspürte. Die im Etagenbett verbauten Kunststoffmatratzen erinnerten an Arztliegen und führten beim vorherrschenden tropischen Klima dazu, dass man mit unbekleideten Körperteilen kleben blieb.

Nach fast drei Stunden Beladezeit riss der Zustrom an Passagieren und Fracht nicht nachhaltig ab. Der Kapitän gab nun durch Betätigung des Signalhorns bekannt, dass der Abfahrtszeitpunkt näher rückte. Nach wenigen Minuten folgte ein zweites Signal, dass, wie auch das erste jedoch völlig ignoriert wurde.

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Die Liemba vormals Graf Götzen

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Noch wird beladen 

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Die erste Klasse Kabine

Erst nachdem der Kapitän drohend die Motordrehzahl hochfahren ließ kam Bewegung in die Menschenmenge und hektisch wurden die letzten Waren an Bord gebracht. Obwohl die Landungsplanke mittlerweile eingeholt war sprangen immer noch letzte Passagiere an Bord. Erst als das ablegende Schiff einen guten Meter zwischen sich und den Ponton gebracht hatte mussten auch die letzten einsehen das Sie nun eine Woche auf die Rückkehr der Liemba warten werden müssen. Der nun einsetzende Fahrtwind vertrieb die Schwüle ein wenig und machte den Aufenthalt auf dem „Promenadendeck“ angenehm. Wir fuhren an den Werftanlagen, dem zweiten Geburtsort der Graf Götzen/MV Liemba, vorbei, um die Landzunge auf der die drei deutschen Mitarbeiter der Meyerwerft Ihre Wohnhütten hatten, in Richtung Süden auf den Tanganjika hinaus. Nach etwa einer Stunde machten wir den ersten Halt. Ca. 1 km vom Seeufer entfernt stoppte das Schiff und gab mehrfach Signal. Wenige Minuten später lösten sich eine Anzahl von Einbäumen und kleineren Ruderbooten vom Ufer und kamen auf die Liemba zu. Nachdem sie das Schiff erreichten, setzt ein wildes Handeln und verladen ein. Das Schiff war von Fischerbooten umgeben, an allen Stellen wurden Waren in beiden Richtungen über die Bordwände verladen, Personen wechselten von Boot aufs Schiff und umgekehrt. Manche boten gebratenen Hühnchen an, andere verluden große Säcke mit getrockneten Süßwassersardinen. Das unglaubliche Schauspiel zog sich etwa eine halbe Stunde hin. Ein erstes Signal des Kapitäns zur Weiterfahrt wurde geflissentlich ignoriert, ebenso wie das zweite. Erst beim dritten Signal, verbunden mit der Erhöhung der Motordrehzahl sorgte dafür, dass die letzen „Gäste“ von Bord sprangen und zu Ihren Booten schwammen.

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Handel über die Bordwand I

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Fahrgäste steigen ein und aus.

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Handel über die Bordwand II

Dieses Schauspiel wiederholte sich nun im Rhythmus von 2 Stunden. Gegen 2 Uhr Nachts erreichten wir unsere Station Mahale. Zum Ausbooten mussten wir mit unserem Gepäck in die dritte Klasse unter Deck, hier befanden sich die Ausgänge in den Bordwänden. Schon an der Treppe erwartete uns ein unglaubliches Gedränge. Es dauerte ein wenig bis wir uns bis auf 3 Meter an die Tür heran geschoben hatten. Ein Blick in den Passagierraum ließ ein Gefühl dafür aufkommen wie sich Sardinen in der Dose fühlen mussten. Noch war nicht klar mit welchem Boot wir übergesetzt werden sollten. Als ich nach einem Boot zum Mahale fragte meldeten sich sofort mehrere Bootsbesitzer, einer entriss mir gleich den Rucksack und versuchte sich durch den Gang zu seinem Boot durchzuschlagen. Als ich den Holzeinbaum sah, war mir klar das konnte nicht das richtige Boot sein. Ich nutze den Streit des Bootsführers mit einem Kollegen, der ebenfalls den Transportauftrag haben wollte und nahm den Rucksack wieder an mich. Ein anwesender Ranger des Parks erkannte wohl unsere Reiseabsicht und teilte uns mit, dass das Boot der Parkverwaltung noch nicht da sei und wir noch warten sollten. Kurze Zeit später hörte man ein Motorboot, das einzige im weiten Umkreis, auf uns zukommen. Es legte in dritter Reihe an die Liemba an. Annette und Constantin kletterten aus der Tür die 1,5 Meter zur Wasserlinie runter. Über zwei weitere Boote ging es zu unserem Boot und das ganze bei Wellengang. Der Bootsführer erkannte wohl die Probleme beim Aussteigen und legte ab um einen günstigeren Übernahmeplatz zu finden. Die Situation spitze sich zu, da Constantin nun der Meinung war das Boot würde ohne den Rest der Gruppe abfahren. Es zeigte sich jedoch das der Ranger unter wilder Gestik und so vermute ich, Beschimpfungen, die andern Boote vertrieb um direkt an die Liemba anlegen zu können. Nachdem das gelang konnten auch wir drei verbleibenden Personen umsteigen. Nachdem alle Ihren Platz eingenommen hatten, legten wir ab und verließen die Liemba in die pechschwarze Nacht. Das etwa 5 Meter lange und 80cm Breite Boot war gut motorisiert und mit hoher Geschwindigkeit ging es über die Wellen, nach wenigen Minuten waren wir alle durchnässt. Einen Trost gab es, dass Wasser war lauwarm. Nach wenigen Minuten konnten wir am Horizont nur noch die Positionslichter der Liemba erkennen. Nun begann das Abenteuer Mahala-Nationalpark Tansaniaa

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Ausbootluke der Liemba,ca 1,5 Meter über dem WasserspiegelI

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Wir verlassen die Liemba in die Dunkelheit

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Nach 2 Stunden Fahrt mit dem Aussenborder erreichten wir den Park

Nachdem wir die Liemba verlassen hatte fuhren wir 1 bis 2 Stunden in absoluter Dunkelheit auf dem See, mir war völlig unverständlich wie der Bootsführer sich orientieren konnte, Sterne waren keine zu sehen. Irgendwann, inzwischen völlig durchnässt von der Gischt, konnte ich ein einzelnes Licht in der Dunkelheit ausmachen, hierauf hielt das Boot nun zu. Nach einer weiteren Stunde (gefühlt), inzwischen hellte sich der Horizont auf und die Silhouette der Bergkette wurde erkennbar. erreichten wir das Headquarter der Parkverwaltung. Da noch niemand anwesend war bedeutete uns unser Bootsführer hier am Strand zu warten. Nach einer weiteren Stunde erschien ein Mitarbeiter des Parks und nahm uns mit ins Office wo wir unsere Parkgebühren bezahlen konnten, gleichzeitig teilte er uns mit, dass wir nochmals mit dem Speedboot ca. 45 Minuten Richtung Süden zu unseren Unterkünften fahren müssten. Nungut, dass nahmen wir auch noch hin, inzwischen waren wir schon 22 Stunden unterwegs. Also wieder ins Boot und Richtung Süden auf die letzte Etappe. Nach knapp einer Stunde landeten wir erneute an einem Sandstrand und luden unser Gepäck aus.

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Endlich angekommen

Der Mahale Nationalpark ist der abgelegenste Nationalpark Zentralafrikas. Er liegt auf halber Höhe des Tanganjikasees auf einer in den See ragenden Gebirgskette. Erreicht werden kann der Park nur über den Weg per Schiff mit Umstieg auf dem See oder mit einem Buschflieger, eine Straßenverbindung gibt es nicht. Im Süden des Parks gibt es eine Luxus Safari-Loge, hier gibt es auch eine kleines Start und Landepiste für Propellermaschinen. Abschreckend sind die Preise, eine Nacht im Nomad Luxury Tented Camp liegt bei ca. 1000 US$. Wir hatten eine etwas preiswertere Variante gewählt. Interessant macht den Park eine von vier der letzten freilebenden Schimpansenpopulationen. Im Park selber erforschen japanische Wissenschaftler seit Jahrzehnten die Verhaltensmuster dieser Menschenaffenkolonie. Im Bereich des Camps besteht die Möglichkeit eine Unterkunft zu bekommen. Allerdings gibt es keinerlei Versorgungsmöglichkeit, alle Verpflegungsgüter incl. Trinkwasser müssen mitgebracht werden. Dies beschränkt den Aufenthalt auf natürliche Weise auf 2-3 Tage, mehr ist auf unserem Reiseweg einfach nicht zu transportieren.

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Unsere Unterkunft im Park

Sogleich erschien auch ein Ranger aus dem dichten Wald und begrüßte uns freundlich, er führte uns in das ca. 100-200 Meter vom Strand gelegene Camp. Hier konnten wir unsere Hütten beziehen. Einfache Steingebäude mit einer Holztüre, einem Wellblechdach und Insektennetzen in den Fensteröffnungen aber mit einem richtigen Bett! Ansonsten waren die Gebäude leer! Auf dem Weg zu den Hütten erzählte uns der Ranger das wir großes Glück hätten, da eine Schimpansenfamilie nur eine Stunde Marsch von hier gesichtet wurde. Er empfahl unverzüglich aufzubrechen. Also kurz das Gepäck verstauen, festes Schuhwerk anlegen und los ging es. Bereits nach 20 Minuten in einer mit Wasser gesättigten Luft war ich durch und durch Nass geschwitzt. Wenn das so weiter ging würden unsere Wasservorräte nicht lange reichen. Immer den Schimpansenwegen folgend ging es in zügige Tempo, man merkte das der Ranger bedeutend besser an das Klima angepasst war als wir, leicht Berg auf, tiefer in den Wald hinein. Interessant war, dass, entgegen meiner Vermuten, keinerlei Tiere zu sehen waren auch keine Insekten oder Käfer, lediglich riesige Schmetterlinge flogen in großer Zahl und in vielen Arten durch den Wald. Nach der vorhergesagten Stunde Marschzeit hörten wir die ersten Schreie der Schimpansen. Nun wurde es spannend! Zielsicher führte uns unser Guide quer durch den Urwald auf die Affenfamilie hin, plötzlich und unerwartet standen wir wenige Meter vor zwei Schimpansen die auf dem Boden saßen und sich eine mir unbekannte Baumfrucht zu Gemüte führten. Der Ranger bedeutet uns nun unseren bei Beginn der Tour ausgegeben Mundschutz aufzusetzen. Dieser soll verhindern das die Menschenaffen durch eingeschleppte Krankheiten infiziert werden. Nun folgten wir den Tieren ca. 1 Stunde quer durch den Wald, der Ranger machte dabei ausgiebigen Gebrauch von seiner Machete. Im Gegensatz zu den Affen brauchten wir eine Durchgangshöhe von ca. 1,60-1,80 Metern. Auf unsere Tour kamen wir teilweise bis auf 2 Meter an die Tiere heran. Interessant waren die detaillierten Informationen zu den Tieren. Unser Führer kannte alle Tiere der Familie beim Namen und wusste diese ebenso sicher zu unterscheiden wie er auch die Familienverhältnisse untereinander wusste. Nach einer Stunde mussten wir den Kontakt abbrechen. Eine länger Verweildauer bei den Tieren war von der Parkverwaltung zum Schutz der Affen untersagt. Nun ging es auf den Rückweg. Am späten Mittag waren wir zurück im Camp. Nach nunmehr fast 30 Stunden auf den Beinen und einer Tour bei tropischem Klima war ich ziemlich am Ende. Jetzt musste ich erst einmal schlafen! Beim gemeinsamen Abendessen, es gab Schwarzbrot, Käse und Wurst aus der Dose, das aus Kigoma mitgebrachte Brot war bereits verschimmelt, zeigte sich das beim derzeitigen Verbrauch unsere Wasservorräte nicht reichen würden. Also wurde für den nächsten Tag Seewasser abgekocht.

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Begegnung mit wilden Shimpansen im Mahale Park Tansania

Nach einer Nacht bei tropischer Hitze weckte unser Guide uns schon früh. Er habe gute Nachrichten die Schimpansenfamilie wäre wieder nur eine Stunde von hier gesichtet worden, diesmal in südliche Richtung. Dies sei außergewöhnlich, zuvor hatte ein BBC Fernsehteam den Park für eine Dokumentation besucht und in drei Monaten nur ein Dutzend Kontakte gehabt. Also ging es wieder los. An diesem Tag machte der Regenwald seinem Namen alle Ehre, es regnete, wenn auch nur leicht, dafür aber beständig. Wir kamen an einer Lichtung vorbei auf der ein riesiger Mangobaum stand, ich hätte diesen Baum mit einem Stammdurchmesser von ca. 2 Metern ohne weiteres auf 100-200 Jahre geschätzt. Da sich auf dieser Lichtung früher einmal ein paar Unterkünfte der Forschungsgruppe befanden konnten wir auf Nachfrage bei unserem Guide erfahren, dass dieser Baum vor 20 Jahren gepflanzt wurde! In den Tropen wächst halt alles schneller!

Nach der vorhergesagten Marschzeit trafen wir dann auch wieder auf die Schimpansenfamilie. Völlig unerwartet begegneten wir den ersten Tieren auf einem Fußweg. Im Gegensatz zum vorigen Tag als uns die Tiere völlig ignorierten, zeigte ein Männchen an diesem Tag ein Imponiergehabe und schlug mit einem Ast auf ein Gebüsch. Für diesen Fall wurden wir vom Ranger instruiert uns bewegungslos zu verhalten und keinesfalls wegzulaufen. Dieses Verhalten bewährte sich, nach einigen Scheinangriffen zog sich das Männchen zurück. Ein wenig eingeschüchtert folgten wir den Tieren in sicherem Abstand. Die Situation entspannte sich alsbald und wir konnten wieder bis auf wenige Meter an die Tiere heran. Bei dieser Tour trafen wir auch zwei der japanischen Forscher. Diese studieren das Sozialverhalten der Tiere bereits seit 20 Jahren im Park. Sie hatten Ihre Station mittlerweile weiter oberhalb in den Bergen aufgeschlagen. Wiederum nach ca. einer Stunde mussten wir den Rückweg antreten. Entgegen meiner Befürchtung wurden wir in keiner Weise von Moskitos oder Tse Tses angegriffen, anders als am Strand schienen die Tiere im Wald nicht zu leben, das machte den Aufenthalt dann doch erträglich. Zurück im Camp waren unsere letzten mitgebrachten Wasserreserven aufgebraucht, nun gab es nur noch abgekochtes Seewasser mit „Schwebstoffen“. Für den Abend am Lagerfeuer hatten wir noch je Person 1 Flasche (Warmes) Bier aufgehoben. 

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Abends am Lagerfeuer mit der letzten Flasche warmem Bier

Für den nächsten Tag war die Rückfahrt vorgesehen, nun musste sich zeigen ob unsere bestelltes Boot kam oder ob der Bootsführer mit der Anzahlung zufrieden war und uns im Stich ließ. Bereits am Abend zerstreuten sich unsere Befürchtungen, am Strand lag unser bestelltes, mit etlichen Kanistern Benzin beladenes Boot samt Bootsführer. Also war die Rückfahrt gesichert, wenn auch nicht in einem Speedboot wie versprochen sondern ehr in einem hölzernen Ausflugskutter. Am nächsten Morgen ging es früh los, natürlich nicht ohne sich in das Gästebuch des Camps einzutragen. Wir waren im Oktober 2010 dort und ich hatte die Besuchernummer 42 für das laufende Jahr, da verwundert es nicht wenn man besonders herzlich behandelt wird, die drei Campbediensteten waren ja sonst weitgehend alleine und um jeden Besucher froh der etwas Abwechslung brachte.

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Vater und Sohn warten auf den Rücktransport

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Wir lassen den Park hinter uns.

Nachdem wir unser Boot bestiegen hatten ging es also wieder Richtung Norden nach Kigoma. Nun standen uns 11 Stunden Bootsfahrt voraus. Wir fuhren zwischen einigen hundert und einigen tausend Metern vom Ufer entfernt, aber immer in Sichtweite. Ich war erstaunt wie weit raus sich die einheimischen Fischer mit Ihren winzigen Einbäumen auf den See wagten. Immerhin hatte das Gewässer teilweise Wellengang wir man es von der Nordsee her kennt. Nachdem auch der letzte Kanister Benzin vom Bug quer durchs Boot nach hinten gereicht wurde und die Sonne sich schon merklich dem Horizont näherte, erreichten wir den Strand unsere Unterkunft. Mit einem großen Grinsen auf dem Gesicht nahm unsere Bootsführer seine letzten 500$ in Empfang und verabschiedete sich. Wir bezogen zum letzen mal unsere Unterkunft am Tanganjikasee. Nun sollte es mit der alten deutschen Mittellandbahn wieder nach Daressalam gehen. Wir hatten allerdings noch keine Tickets. Eine entsprechende Anfrage am Bahnhof in Kigoma wurde abschlägig beschieden, Tickets gab es nur Daressalam oder direkt im Zug! Also warteten wir auf den Zug!  Sonntagvormittag war es so weit, der Zug fuhr ein und eine Unmenge Menschen quetschte sich aus den Waggons. Unser Versuch Rückfahrscheine für die 1. Klasse zu bekommen schlug allerdings fehl. Es gab nur noch einen 1. Klasse Waggon und er war für das Zugpersonal reserviert, eine 2. Klasse gab es schon seit Jahren nicht mehr und die dritte Klasse, nach Männern und Frauen getrennt, dafür aber mit Haustieren, wollten wir uns keine 2 Tage antun. Also musste Plan B greifen und wir buchten entsprechende Inlandsflüge um die Heimreise anzutreten. Vorher aber hatten wir noch zwei freie Tage in Kigoma. Einen Abend nutzen wir um im besten Haus am Platz Abend zu essen. Also wurde ein Taxi bestellt und mit 6 Mann plus Fahrer ging es zum, vom Fahrer empfohlenen, ersten Haus am Platz. Das war auch gleich ein Reinfall, die Lokalität war zwar sauber und gut gelegen, hatte aber keine Lizenz zum Alkoholausschank und ein kühles Bier musste jetzt nach Tagen abgekochten Seewassers schon sein. Also ging es weiter zum „zweiten“ Haus am Platz. Dieses fand sich in einem kleinen Garten unter Mangobäumen. Rechts vom Eingang in den Garten war ein kleine rot beleuchtet Terrasse, auf der auffällig viele junge Damen ohne Begleitung saßen und mit einer Zigarette in der Hand gelangweilt dem Treiben zusahen. Wir nahmen auf den gegenüberliegenden Seite in der Nähe der Bar auf weißen Kunststoffstühlen Platz. Unsere Anfrage nach den angebotenen Gerichten wurde mit einem Achselzucken und der Aufforderung in die Küche zu folgen beantwortet. Da ich solche Küchen schon gesehen hatte wollte ich mir das nicht antun. Also ging mein Sohn und Annette um die Bestellung aufzugeben. Sichtlich gezeichnet vom dem Eindruck der Küche kam Constantin nach wenigen Minuten zurück. Es sollte Hühnchen mit Kartoffel geben, das einzige was man guten Gewissens bestellen konnte. Nach reichlich einer halben Stunde kam unser Huhn dann auch. Ich hab selten so ein kärgliches Skelett von Huhn gesehen. Da war wirklich nichts dran außer der viel beschriebene Haut und einigen Knochen. Nichts um einen Mitteleuropäer satt zu bekommen. Na ja, immerhin war der Preis akzeptabel rund 3 Euro für Essen und Getränke schwächte die Reisekasse nicht sonderlich stark. Betrachtet man die gesamte Verpflegungssituation während der Reise, muss man schon erkennen in welchem Überfluss wir in Europa leben.

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Flugplan von Air Tansania ab Kigoma

Hier die Reisegruppe ganz links der Autor

Unsere Gruppe beim Abschlussessen in Daressalam

Karte Tansania

Zum Abschluß noch einmal eine Karte Tansanias mit Lage des besuchten Mahale Parks

Am Tag der Abreise machten wir uns mit dem Taxi auf den Weg zum Flughafen. Mit einer Propellermaschine der Air Tansania ging es zurück nach Daressalam und dort nach einer Übernachtung in einem Schweizer Gästehaus über Kairo zurück nach Frankfurt. Eine, vor allen Dingen für meinen Sohn, er war das erste mal in Afrika, eindrucksvolle Reise ging zu Ende.

 

Hier gibt es ein Album mit Bildern der gesamten Reise:

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Jörg Zborowska

 

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